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  • Marienquartier

Wenn Sie gerade von der Einkaufsstraße Scharn her kommen und dem munter und verschmitzt dreinblickenden Weserspucker, einem Brunnen, am Poos die Hand geschüttelt haben, dann fällt sie Ihnen sofort auf: die Marienkirche oberhalb der leicht ansteigenden Hufschmiede.

Die Kirche St. Marien hat ihren Ursprung in einem Nonnenkloster der Benediktinerinnen. Als um das Jahr 1009 die Benediktinerinnen ihr Kloster vom Wittekindsberg im Süden Mindens an den heutigen Marienkirchplatz verlegten, stand dort bereits ein Bauernhof mit einer kleinen Kirche. An dieser Stelle errichteten die Nonnen ihr Klostergebäude mit einem dreiseitigen Kreuzgang. Heute ist noch der südliche Teil dieses Kreuzganges zu sehen. Um 1022 wurde mit dem Bau der Marienkirche begonnen.

cityportal quartiere marien 02Die Marienkirche hat ihren Ursprung in einem Nonnenkloster der Benediktinerinnen. Als Offene Kirche lädt sie zum Betrachten und Verweilen ein. (Foto: Hans-Jürgen Amtage)

Im 14. Jahrhundert wurde das Marienkloster in ein sogenanntes „freiweltliches Damenstift“ umgewandelt. Das Mittelschiff wurde im 12. Jahrhundert mit romanischen Bögen versehen, die Sakristei und die gotischen Seitenschiffe des Chores angebaut. 18 Meter hoch ragt das Kirchenschiff aus der Erhebung am nördlichen Innenstadtrand heraus.

Die St. Marienkirche ist seit der Reformation eine evangelische Pfarrkirche. Eine Besonderheit ist der Renaissance-Taufstein aus dem Jahr 1598. Aus der gleichen Zeit stammt das bedeutende Epitaph des Obersten Georg von Holle an der südlichen Chorwand.

Nach der Verweltlichung im Jahre 1811 dienten die Räumlichkeiten des Klosters zunächst militärischen Zwecken, die Kirche als Pfarrkirche. Die Kirchengemeinde St. Marien kaufte 1921 das Stift zurück. Es diente bis zum Jahre 1973 überwiegend als Wohnungen für kirchliche Mitarbeiter. Anfang der 1970er-Jahre wurde im Rahmen der grundlegenden Renovierung unter Beibehaltung der ältesten Gebäudeteile ein Gemeindezentrum errichtet, das 1975 eingeweiht wurde.

2002 konnte die Gemeinde eine Späth-Orgel an der östlichen Seite des Nordschiffes der Marienkirche erbauen lassen. Sie dient als Ersatz für die Ott-Orgel aus dem Jahr 1954, die defekt war. Finanziert wurde diese Orgel unter anderem mit einem Orgelwein, der verkauft wurde.

Und den passenden Weinberg dazu gibt es auch an St. Marien. Unterhalb der Südseite des Kirchenschiffes liegt der Weinberg, den Aktive der Gemeinde dort angelegt haben und pflegen. Alljährlich gibt es in geringen Mengen ein edles Tröpfchen, das aus den „Marien-Trauben“ gekeltert wird.

Mitten im kleinen Weinberg steht die Skulptur des Wiederkehrenden Jesus. Yrsa von Leistner, die 2002 im Alter von 90 Jahren verstorben ist, gestaltete die Figur. Die Bildhauerin und Malerin arbeitete vier Jahrzehnte in Sankt Augustin. Eines ihrer bekanntesten Werke ist die erste offizielle Büste von Bundeskanzler Konrad Adenauer, der auch persönliche Kontakte mit ihr pflegte.

cityportal quartiere marien 03Die alte Besselschule, die heute die Grundschule Domschule beherbergt, hat eine wunderschöne Aula, die leider nicht öffentlich zugänglich ist. (Foto: Hans-Jürgen Amtage)

Wenn Sie nun mögen, dann machen Sie doch einen kleinen Spaziergang über die Hufschmiede und biegen dann nach Norden ab. Nur rund 200 Meter entfernt steht die alte Besseloberschule, die heute als Grundschule unter dem Namen Domschule geführt wird. Geprägt ist dieses Gebäude im Innern durch eine historische Aula, die als besonders sehenswert gilt. Auffallend ist das imposante Ölgemälde „Die Taufe Widukinds“, das 1884 vom Berliner Künstler Paul Thumann geschaffen wurde.

Der Künstler verlegte die Taufe geschichtswidrig ins nahegelegene Wiehengebirge. Diese lokalpatriotische Geschichtsklitterung - in Wirklichkeit wurde der Sachsenherzog in der fränkischen Kaiserpfalz Attigny getauft - geschah damals auf besonderen Wunsch des Mindener Komitees für die Gestaltung der Aula.

cityportal quartiere marien 05Die Kaiservilla oberhalb des Glacis'. Dieser Ort sorgte 1889 für Aufregung, als Kaiser Wilhelm II. sich mit seinem Gefolge in Minden angesagt hatte. (Foto: Hans-Jürgen Amtage)

Suchen Sie nun ein wenig Erholung, dann gehen Sie noch ein paar Schritte weiter. Wenn Sie italienisch speisen möchten, haben Sie hier gleich an zwei Plätzen die Möglichkeit. Entspannen können Sie aber auch im Glacis, wenn Sie an der Kaiservilla vorbei gehen.

Dort – und in ganz Minden - herrschte im September 1889 drei Tage lang große Aufregung. Denn Kaiser Wilhelm II. hatte sich mit seinem Gefolge in der Weserstadt zum Herbstmanöver angesagt. In der Villa des Zigarrenfabrikanten Leonhardi soll er Station gemacht haben. Seither heißt die Villa Leonhardi auch Kaiservilla.

Auf Wilhelms Speiseplan beim Festmahl in Minden standen unter anderem Hühnersuppe und Rebhühner mit Steinpilzen. Schon damals war so ein hoher Besuch nicht ganz billig. Knapp 20.000 Mark kostete der kaiserliche Abstecher die Stadt Minden.